Alfred Schuler und die kosmische Bläue
"Sternverwandt irr empor, du mein armes Licht,
In den schwarzlockigen Abgrund irr empor -
O große Nacht
So nimm auch diese Lampe in umflorte Mutterhand.
Zu tief in heilgem Blute schwoll ihr Docht.
O gieße Lethe endlich unter diese Schmerzenstülle-"
(Gebet)
Alfred Schuler - Eine Randfigur?
Alfred Schuler (geb. Mainz 22.11.1865, gest. München 8.4.1923) gilt als ein Kuriosum der Literatur- und Geistesgeschichte. Verschwiegen kann er nicht werden, wenn die Geschichte jenes Kreises geschrieben wird, den man die Münchner "Kosmiker" nennt: neben Schuler vor allem Ludwig Klages, der Philosoph; Stefan George, der Dichter des geheimen Deutschlands; Alfred Kubin, der Zeichner und Schriftsteller. Nachzulesen ist diese durchaus amüsante Geschichte in den "Erzählungen des Herrn Dames" der Gräfin Franziska zu Reventlow. Gelegentlich wird erwähnt, daß Walter Benjamin, Ahnherr der Frankfurter Schule, den für seine Ästhetik so zentralen Begriff der "Aura" über Ludwig Klages indirekt von Alfred Schuler geborgt hat. Rainer Maria Rilkes Werk zeigt seine Berührung mit Schuler. In Studien zur Krankheit Nietzsches wird erzählt, daß ein Verrückter Nietzsche mit dionysischen Tänzen ins gesunde Leben zurückrufen wollte. Dieser Verrückte war Alfred Schuler. Am Rande begegnet Alfred Schuler auch im Werk Ernst Jüngers: "Manche Autoren sind nur durch Briefe und Briefwechsel, andere wesentlich nur durch Gespräche bekannt. Das setzt einen bedeutenden Kreis, ein "cénacle" voraus. Zum Beispiel Schuler (1865-1923): wir wissen weniger von ihm als über ihn - so durch George, Klages, die Gräfin Reventlow. Alfred Schuler hielt sich für einen Eingeweihten und verhielt sich in diesem Sinn. Sein Einfluß ist bedeutend bis in die politischen Niederungen; doch schwer zu verfolgen, denn er wirkte weniger durch Texte als durch Infiltration. In meiner Bibliothek verwahre ich: >Fragmente und Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Schuler mit einer Einführung von Ludwig Klages<, 1940. Die Einführung ist umfangreich, beinahe ein Buch für sich." (Ernst Jünger, Autor und Autorschaft - Nachträge) Und Jünger zitiert aus der Widmung Carl Schmitts: "Son oeuvre me rapelle a le mot de Léon Bloy: 'J´ai fait mes plus beaux voyages sur des routes mal éclairées.'" "Ich habe meine schönsten Reisen auf schlecht beleuchteten Wegen gemacht" trifft gut die Lektüre des Schulerschen Werkes.
"Ein roter Schein wie Fackeln in der Luft,
Wie Purpurruß, durchätzt von Pechbrandduft,
In Nacht ob Gassen schwarzer Menschenbrunst
Gährender Erzkolosse Sauerdunst,
So glüht es einst in unsrer Kindheit Wahn -
So glüht es auf woimmer Götter nahn -
Urfunken euch sei unser letzter Sang
Und Feuerstoß aus unsrem Untergang."
(Gebet)
Telesma und Blutleuchte
Alfred Schuler war ein Seher, ein Mystiker des Blutes. Er lebte in München als sei es das spät antike Rom. Er fühlte sich als Zeitgenosse Neros, der die letzten Tage der Wittelsbacher und den Revolutionsbrand von 1918 apokalyptisch deutet. Alfred Schulers "Lehre" ist jedoch eine eminent esoterische, kein plumper Entwurf, schon gar kein politischer, sondern eine in viele Verästelungen führende Schau, die die Interpreten vor viele Schwierigkeiten stellt. Der Einfluß Bachofens wird von allen hervorgehoben, als wäre Schuler nur der Sänger des Matriarchats. Unbestritten ist es das Mütterliche, das Schuler in Verbindung mit dem Totenreich und dem Prinzip des Lebens setzt, und ein großer Teil seiner Vortragsreihe "Vom Wesen der ewigen Stadt" ist ein Lobgesang auf das Weiblich-verströmende und eine Anklage gegen die Vernichtung durch das Männlich-evakuierende. Nur: Angelesenes aus Bachofen - das ist sicher nicht die Substanz des Schulerschen Werkes, es ist eine kosmische Schau und eine Ahmung (um das Kunstwort Leopold Zieglers zu verwenden), keine Nachahmung. Schulers Grundprinzip ist die kosmische Verbindung zwischen dem inneren Leben, das seinen Sitz im Blut hat, und dem äußeren All, dem Allumfassenden. Daher die Bezeichnung "Kosmiker". Über den Träger dieser kosmischen Substanz, das Telesma, sagte er:"Das Auge ins Innere gewendet erblicke ich eine vibrierende Lichtfülle, unzählige im Wechselgenuß aufleuchtende Fluiden, eine ewig ununterbrochene Hochzeit im Äther. Diese Substanz, wie ich vermute, identisch mit dem, was das "große Telesma" genannt und in analoger Weise geschildert wird, erachte ich als die verklärende, seligmachende Kraft, als ihren Sitz das Blut. Insoweit sie die Blutwelle leuchtend macht, nenne ich sie essentielles Leben. Diese Bezeichnung stellte sich mir von selbst zugleich mit dem Erlebnis ein. Der Besitz der Leuchte ist unser Anteil am absoluten Leben. Eine andere Deutschung kann dem Worte essentiell in diesem Zusammenhang nicht innewohnen. Man gewinnt andererseits den Eindruck, daß solche Leuchte mit Strömungen aus dem All, in welchem sie demnach verbreitet sein muß, in Verbindung ist. Der in Leuchte Stehende erlebt dieses Strömen als kalte aus dem Kosmos herabkommende Schauer, während die Essenz, dem Blute vermählt, in seliger Wärme glüht. - Die aus dem Weltall einschießende Substanz nenne ich kosmisch. Eros Kosmogonos erscheint mir als eine späte Symbolisierung solcher Herabkunft." (Vom Wesen der ewigen Stadt) Es geht ihm also um die gesteigerte Seelenkraft, die er als Blut beschreibt, nicht so sehr um Blut als Abstammung, oder wenn doch, dann um seelische Abstammung und mehr noch Übereinstimmung. Nur so kann der Zeitabgrund zwischen dem München der Jahrhundertwende und dem Neronischen Rom überbrückt werden. Wie es die Tradition lehrt, wie es die Gnostiker beschrieben haben: Durch den Fall in die geschichtliche Zeit wurde das Licht in die Finsternis verwirbelt. Die Evolution begann. "Ich habe das bisher durchlebte Menschendasein in zwei einander entgegengesetzte Perioden eingeteilt: in eine (prähistorische), in welcher ich die (gesamte) Körperwelt als ganz und gar von Leuchte durchdrungen annehme (wie das auch schon in dem Worte Urzeit - Ur=Ar=Licht - das ist Lichtzeit, zum Ausdruck gelangt), dem Heiden als das "goldene Zeitalter", dem Juden als das "Paradies" bekannt. Ihr stelle ich gegenüber die historische Periode, charakterisiert durch einen gegen die bisherige Leuchte gerichteten Evakuierungsprozeß in der Menschheit." (Vom Wesen der ewigen Stadt) Der Evakuierungsprozeß ist für Schuler ein Werk des Monotheismus (Molochismus), der zunächst den Lebenskern durch Transzendalisierung ins Jenseitige verlegt, um "das Fischlein Seele aus dem Blute Leben zu reissen." Nachdem dies erreicht ist, wird im zweiten Stadium, der Reformation, auch die transzendentale Maske beseitigt. Diesen Zustand charakterisiert er mit drastischen Worten: "Brutnest aller Berufsidioten. Bei verkohlter Seele. Erloschener Herzgrube. Allgemeine mechanische Zerbröckelung. Industrieller Maschinalismus. Weiteste Ringe der Rotation: Amerika. (...) Herausstülpung der untersten Eitermassen: Révolution Francaise. (...) Der moralische Polizei und Pastorstaat." (Fragmenta Neronis Domini)
Dem Entlebungsvorgang fallen immer wieder Licht- und Lebensträger gewaltsam zum Opfer: von der heidnischen Märtyrein Hypatia zur Prinzessin Lamballe, Opfer des sexuell entfesselten französischen Revolutionspöbel, bis zur Kaiserin Elisabeth und ihrem hermaphroditischen Freund König Ludwig von Bayern: "Tollwütige Bettelmönche hatten einst den Körper der heidnischen Philosophin Hypatia vor dem Hochaltar der Hauptkirche zu Alexandrien mit scharfen Marmorsplittern zerfleischt, im spritzenden Herzblut scharrend; rasende Hallenweiber bohrten ihre Zähne in das noch schlagende Herz der Hypatia der Revolution, der Prinzessin Lamballe. Ein Menetekel, zu schreiben in die weiße Apsis der Gewaltigen, daß der jungfräulich verklärte Leib als ihr letztes, ihr innerlichstes Opfer blutet. Doch ist der psychische Leib nicht so rasch wie der physische vernichtet. Gleich dem an Lesbos anschwimmenden Haupte des Orpheus, das noch im Tode sang, setzt sich ein letztes Klingen fort in den Werken deutscher Romantik. Ja noch mehr: In zwei Personen, die wir noch erlebt, strebt einmal noch die verhängnisvolle Zelle selbst empor. Die Wellen des Starnberger Sees, ich meine Ludwig des Zweiten gesendeten Tod, der Hafen von Genf, ich meine das blutige Ende Elisabeths, sind Zeugen, welches Los die wirkende Macht solchen Früchten vom alten Baume beschert hat. Sie fielen als letzte Widerstände unter den Schwingungen des schwarzen Rades, welches jetzt der Herr ist weithin über den Erdkreis." (Vom Wesen der ewigen Stadt)
Das blaue Licht
Doch die Zeit, der Schuler am meisten Aufmerksamkeit widmete, ist die des Kaisers Nero. Es sollten hier keine übertriebenen Schlüsse daraus abgeleitet werden. War es die Schicksalszeit der Blutleuchte? Nein, ich neige eher der Auffassung zu, daß jede Zeit Schicksalszeit ist. In jedem geschichtlichen Augenblick entscheidet sich alles aufs Neue, steht alles auf dem Spiel. Es dürfte aber ein Zusammenklingen der Gegenwart mit der Zeit des Künstlerkaisers gegeben haben. Andere Mystiker des 19. Jahrhunderts haben sich ebenfalls gerade dieser römischen Spätzeit zugewandt. Bemerkenswert etwa, daß wenige Jahrzehnte vor Schuler die Hauptfigur der Wiedererweckung des Okkultismus, der sich selbst den Namen Eliphas Lévi gab, sich als Erbe
des Apollonius von Tyana, des einflußreichen Weisen und Magiers der Spätantike, sah. Eliphas Lévi hat am 24.6.1854 in London den Geist des Apollonius beschworen. Lévi weihte auch den englischen Rosenkreuzer Edward Bulwer Lord Lytton in die Geheimnisse der spätantiken Magie ein. Bulwer Lytton verfaßte nicht nur einen Roman über Cola di Rienzo,
den letzten römischen Tribunen, den Richard Wagner zu seinem ersten großen Opernhelden machte - Vorbild für den jungen Adolf Hitler. Nein, mit dem Roman "The Coming Race" verfaßte Bulwer-Lytton den folgenreichen okkulten Roman schlechthin. In diesem wird ein englischer Spießbürger durch Zufall in das unterirdische matriarchale Reich der Vrilya initiiert. Die Frauen dieser Unter-Welt handhaben eine geheimnisvolle blauschimmernde Kraft namens Vril, die auch das subterrane Licht liefert. Die Spur des Vrils außerhalb dieses Romans ist leicht zu finden. Wer nur ein bißchen gräbt, wird fündig. Das Leuchten des adeligen Blutes ist blau. Für das blaue Licht fand Kadmon Assoziationen auf den mystischen Buchstaben E: "Das blaue Licht, Emblem der Sehnsucht nach dem Ursprung. Edelmut. Eden. Ekstase. Enigma. Erotik. Ewigkeit. Existenz." Das blaue Licht hat Namen wie "Aura", "Od" oder "Orgon". Wilhelm Reich: "Blau ist die spezifische Farbe der Orgonenergie innerhalb und außerhalb des Organismus. Protoplasma jeder Art, in jeder Zelle oder Bakterie ist blau. Gewöhnlich wird es als Licht'brechung' bezeichnet, was aber sehr unzutreffend ist, weil die Zelle unter denselben Lichtverhältnissen die blaue Farbe verliert, wenn sie stirbt. Gewitterwolken sind tiefblau, was von hohen Orgonmengen herrührt, die in den Massen des verdunsteten Wassers enthalten sind. Wasser in tiefen Seen oder Meerwasser ist blau; ebenso die leuchtenden Schwanzenden der Glühwürmchen, das Elmsfeuer und das Nordlicht." Nach Ansicht des Reichianers Peter Nasselstein kann die blaue Orgon-Energie von "esoterischen Faschisten" wie Gurdjieff und Crowley zu einem "blauen Faschismus" mißbraucht werden (analog zum "echten" also schwarzen Faschismus und zum von Reich so bezeichneten kommunistischen "roten Faschismus".
Bei Alfred Schuler steht die Farbe blau jedoch auch für das erste Aufleuchten des essentiellen Lichts im Jünglingsverband: "(Vom Jünglingshaus) klingen die Bezeichnungen Kamerad und Geselle, der Partner in Kammer und Saal, dringt das Institut der Vergesellung, bei den Germanen von so hoher Bedeutung, daß man im Zweikampf mit Rivalen focht, der Partnerwahl, wenn es zum Fest im Saale geht - aei gamos -, in die Waberlohe des Lebens. - Von dort auch fällt jenes ominöse Blau als die früheste Durchglühung der materiellen Finsternis mit essentiellem Lichte, das als Märchenleuchte im Bewußtsein der Späten lebt: conte bleu, bibliothèque bleue; von dort kommt das Tätowieren in Blau, ursprünglich im kosmischen Wirbelsymbol; und in den Zeiten des wiederaufglühenden Gesellenhaus der Gesellenschaft, welche, den Patriarchalismus der Zünfte bekämpfend, in ihrem Herbergsleben, wenn auch unbewußt, das alte Jünglingshaus wiedererstehen läßt, das Blau-Machen als Feiern, der blaue Montag als Rivale des solar-männlich-christlich bedingten Sonntags." (Vom Wesen der Ewigen Stadt)
Ludwig Klages, dessen eigentliche Stärke vor allem die phänomenologische Einfühlung war, spürt Schulers Beziehung zu München in den Farben des Blutes und des Himmels nach, den Sinnbildern der Ortsseele: "Wir finden deren zwei (Sinnbilder): rostbraunen Brodem und tiefdurchsichtiges Himmelblau. Symbole, wie wir hören werden, sind Wirklichkeiten, und Wirklichkeiten lassen immer auch ihre Spur zurück in der Welt der Dinge: weißblau waren die bayerischen Landesfarben, blau die Briefkästen, die Trambahnen, die Uniformen der Soldaten, blau war im "Wahrzeichen Münchens", der unvergleichlichen Frauenkirche, das mit Sternen durchstickte Deckengewölbe, blau ist der Mantel der "Mutter Gottes". Der rostbraune Brodem aber, der heimlich zur Nacht über jedem Bräuhaus und den sommerlichen Kastanienkerzen jedes Bierkellers zitterte, wölkte bei unbedecktem Himmel sichtbarlich über dem abendlichen Menschengewirr und Lärm und Dunst und Lichtergefunkel und Feuerschein jedes Oktoberfestes. Beides trug Schuler in der eigenen Seele: den zunderfarbenen Brodem verschollener Orgien und vom kosmischen Blau zwar nicht die olympische Helle, (...) wohl aber den azurnen Ferneton, der hinüberweist zum Totenreich. Darum erwachte seine Seele in München. (Ludwig Klages, Einführung zu: Alfred Schuler, Fragmente und Vorträge aus dem Nachlaß)
Evola über Schuler
Dies alles ist im Jahre 1940 einer größeren Öffentlichkeit bekanntgeworden, als es Ludwig Klages gelang im Verlag Johann Ambrosius Barth die Schulerschen Fragmente zu veröffentlichen. Erfolgte Besprechungen zeigen, daß das Buch auf eine gewisse Beachtung stieß. Julius Evola verfaßte eine eindeutig ablehnende Rezension in der "Bibliografia Fascista". Er fühlte sich auf seinem eigenen Gebiet angegriffen. Das heroisch-solare Rom - gedeutet als aus chthonischem Urschlamm herausgewachsen, in den Sümpfen des Tibers von säugenden Müttern begründet? Die strenge, klare, erstarrte Architektur Roms umspült von Wogen dionysisch entgrenzter Faschingsumzüge? Rom - ein Ur-Schwabing? Doch Schuler ist auch für Evola eine Art von "Mystiker", um nicht zu sagen "Initiierter", aber einer, der seine außergewöhnliche "psychometrische" Begabung nicht durch Studien fortgebildet hat. Daher die sehr verwirrten Auffassungen Schulers. Evola beschränkt sich in seiner Besprechung darauf, einige Widersprüche Schulers, sowie seine Anlehnung an dekadente und korrupte Riten zu kritisieren. Im Kern ist die Schulersche Welt Evola zu fremd um Substantielles über sie sagen zu können. Die im Nachlaß erhaltenen und im Vorjahr erstmals veröffentlichten Fragmente, die eine wohl für manche - jedenfalls für mich - unappetitliche Form der Homosexualität literarisch überhöhen, hätten ihn wohl in seiner Ablehnung bestärkt. Schulers Neigung zu Schlächterburschen mit schwieligen Händen und blutig-geilem Blick, mögen ein Naheverhältnis zu heutigen Schlächtermeistern des Orgien-Mysterien-Theaters nahelegen (deren Hauptmysterium allerdings deren Fähigkeit im Abkassieren von Steuergeldern darstellt), eine Männerbund- und damit staatsbildende Kraft haben Schulers Stallknechte und Metzgerschlafstätten nicht, dies wäre jedoch die einzige Form der Homosexualität, der ein Wert zugesprochen werden könnte Doch gilt für Schuler vielleicht sein eigener Auspruch, "daß wenn Schleusen geöffnet werden, zuerst der Unrat vorausfließt und dann das klare Wasser folgt." Eine Dekadenz der geöffneten Schleusen anstelle einer Dekadenz der aufgestauten Brühe. In diesem Sinne kann Schuler heute noch Schleusen öffnen. Auf den Schlamm folgt dann das hellblaue klare Wasser.
Cosmogonische Augen
Ein größerer Ausschnitt des Nachlaßwerkes Alfred Schulers ist nun durch Baal Müllers Ausgabe zugänglich: Alfred Schuler. Cosmogonische Augen. Gesammelte Schriften. Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Baal Müller. Paderborn: Igel Verlag 1997. 482 Seiten, 11 Abbildungen, Paperback.
Zwar kann dieses Buch auch nicht den ganzen Schuler bringen, doch ohne den Eingriffen von Klages, der um überhaupt eine Ausgabe veröffentlichen zu können, alle drastisch homosexuellen Partien weggelassen hatte, wird doch das Bild Schulers vollständiger. Über orthographischen Korrekturen kann man natürlich geteilter Meinung sein. Schließlich sind Schulers Texte ohnehin schon sehr schwer zu verstehen, behutsame Korrekturen wie durch Klages könnten die Lesbarkeit sicher etwas erleichtern. Wegen des langen, monomanischen, aber dennoch als Zeugnis der Bekanntschaft unverzichtbaren Vorworts wird die Klages-Ausgabe sicher weiterhin in den Antiquariaten zu den gesuchten Titeln zählen. Das Vorwort dieser neuen Ausgabe erwähnt hingegen beispielsweise die Beziehung zu Papus, doch wird ersichtlich daß Müller tieferes esoterisches Wissen fehlt. Statt dessen natürlich philologische Anmerkungen, es sei aber zugestanden, daß auf allzuviel Philologengegacker verzichtet wurde. (Ein bißchen muß ja sein, um sich vor der Zunft zu rechtfertigen.) Der Kommentarapparat ist sicher ergänzungsbedürftig. Zugegeben, manches angeführt hätte ich nicht gewußt. Doch manches anderes, was ich für anmerkungswert gehalten hätte, fehlt. Daß schließlich bei der armen Prinzessin Lamballe schlicht "nicht ermittelt" steht, deutet auch auf Lücken in der Allgemeinbildung. Hier sei daher in den Worten Erik von Kuehnelt-Leddihns nachgetragen: "Princesse de Lamballe. Diese Freundin der Königin wurde verhaftet, weigerte sich aber im Gefängnis, einen Eid auf die Verfassung abzulegen, worauf man sie einer tobenden Volksmenge überantwortete. Sie wurde nicht nur umgebracht, geköpft und ausgeweidet, nein, man machte aus ihren Geschlechtsteilen ein grausiges "Arrangement", dasdurch die Gassen getragen wurde, ihr Kopf aber wurde auf einer Stange Marie-Antoinette hohnlachend präsentiert. Das geschah knapp vor den Septembermorden des Jahres 1792, liebevoll von Danton, einem "gemäßigten" Republikaner organisiert, wobei die Akteure des Gemetzels große Mengen Weins und je sechs Livres für ihre Mühewaltung bekamen."(Von der Humanität ...zur Bestialität. Eine Bilanz der französischen Revolution)Nicht nur vom Christentum, mehr noch von den humanistischen Revolutionen, kann und sollte eine Kriminalgeschichte geschrieben werden.
Martin Schwarz